Leistungsschutzrecht – WTF?

Während der digitale Wutbürger noch den Sieg über ACTA feiert, haben Bundesregierung und Contentlobby bereits zum nächsten Schlag ausgeholt. Wie netzpolitik.org berichtet, hat die Koalition am Wochenende bekräftigt, ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger einführen zu wollen.

Grob zusammengefasst würde dies bedeuten, dass jeder mit einem „gewerblichen“ Interesse (wie auch immer gewerblich in diesem Zusammenhang definiert ist), der Inhalte aus Zeitungen und Magazinen weiterverwertet, eine Abgabe zahlen muss. So in etwa wie es bei Musik die GEMA gibt, soll es zukünftig  auch für Texte eine Verwertungsgesellschaft geben. Und obwohl glücklicherweise/leider noch keine konkrete Gesetzesvorlage vorliegt, wird es Zeit, sich über dieses Thema Gedanken zu machen…

Die Ausgangslage

Ganz offensichtlich kriegen die Verlage so langsam Muffensausen! Das klassische Geschäftsmodell mit Printmedien läuft immer schlechter und der Grund dafür ist relativ einfach festgemacht: Das Internet! Aber auch dort läuft es anscheinend mit den eigenen Präsenzen nicht ganz so, wie man sich das vorgestellt hat. Der ausgemachte Gegner sind Google News und weitere News-Aggregatoren, die angeblich durch Ihre Angebote Leser und somit Anzeigenwerbungsklicks von den Verlagsseiten fernhalten.

Verkehrte Welt

Vielleicht bin ich nicht repräsentativ, da ich weder Google News nutze, noch auf Werbung klicke (AdBlocker ist mein Freund!). Aber ich behaupte, dass ein Großteil des Traffics (und somit auch Werbeeinahmen) auf diesen Presseportalen eben von genau diesen Aggregatoren kommt. Sicherlich reicht es manchmal, nur die Überschriften zu überfliegen, aber wenn ein Thema interessiert, will man doch auch die Hintergrundinfos auf der Quellseite lesen, oder? Andersum gedacht ist die Motivation dieser Initiative nur schwer nachzuvollziehen, denn wenn Google dieses Spielchen nicht mitmachen sollte, hat man weder Klicks noch Zusatzeinnahmen (siehe auch Youtube vs GEMA).

Außerdem sollte man sich mal fragen, wo die eigentliche Leistung heutzutage erbracht wird? Oft sind die aktuellsten Meldungen bereits lange durch soziale Netzwerke (aka User Generated Content) gegangen, bevor sie bei den großen Nachrichtenseiten auftauchen (Und werden dann mit Hochachtung als „Quelle:Internet“ zitiert). Nicht selten sieht man auch auf mehreren Portalen die identische dpa oder AP Meldung, höchstens leicht variiert (sonst würde man ja wegen duplicate content nicht mehr bei den bösen SuMa’s gelistet) und mit einem zufälligen Teaserbildchen versehen.

Steckt mehr dahinter?

Egal ob man am Ende doppelt kassiert oder doppelt verliert, bleibt die Befürchtung, dass dieses Leistungssschutzrecht nur ein erster Schritt ist. So heißt es aktuell:

Die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet wird nicht vergütungspflichtig,
normale User werden also nicht betroffen sein. In der gewerblichen Wirtschaft bleiben
das Lesen am Bildschirm, das Speichern und der Ausdruck von Presseerzeugnissen kostenfrei. (Quelle: dpa)

Was ist aber, wenn dies Springer und Co. nicht ausreicht? Schreit man dann nach einer Kulturflatrate? Wie wäre es mit direkten Subventionen für „systemrelevante“ Zeitungen? Oder eine GEMA-Vermutung für jeglichen textbasierten Content. Wäre ja durchaus möglich, dass der ein oder andere Buchstabe unwissentlich identisch zu einer Pressepublikation verwendet wurde.

Geschäftsidee: Pingback-Abmahnung

Die ersten Abmahnanwälte stehen vermutlich schon in den Startlöchern und freuen sich, Ihren Kundenstamm deutlich vergrößern zu können. Neben den klassischen Copycats kann man sicherlich prima ein zusätzliches Geschäftsmodell draus basteln: Man nehme einen beliebigen Text auf der eigenen Seite, verlinke wild auf themenverwandte Artikel auf anderen Plattformen und warte ein paar Tage. Wer dann so naiv war den Pingback/Trackback zu akzeptieren, kriegt direkt die Abmahnung hinterhergeschickt. Schließlich hat der Andere ja einen Auszug der eigenen Inhalte „für dessen Zwecke weiterverwendet“. Funktioniert zwar nur bei Blogsystemen, aber auch hier findet man bestimmt genug Angebote, denen man gewerbliche Zwecke nachsagen kann. Hierzu heißt es zur Beruhigung aus dem Arbeitskreis Netzpolitik der CDU:

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes („Paperboy-Entscheidung“) darf die bloße Verlinkung eines Presseartikels im Internet nicht unter das Leistungsschutzrecht fallen. Zudem müssen sogenannte „Snippets“ freigestellt bleiben. (Quelle: cdu.de)

Versprochen wird in der Politik viel. Ich glaube nur dem, was ich sehe – in diesem Fall also die konkrete Formulierung des Gesetzestextes. Hier müssen wir uns also noch ein wenig gedulden, ob hier eine neue Abmahnwelle anrollt.

Fazit

Egal ob als Blogger oder Nachrichtenleser kann ich die Bestrebungen nach einem Leistungsschutzrecht nur sehr (!) kritisch sehen. Genauso wie in einigen anderen Branchen wurde hier offensichtlich der digitale Trend verschlafen und die rechtzeitige Anpassung der Geschäftsmodelle ignoriert. Und jetzt soll das Problem mit Hilfe der Politik wieder auf Kosten des Steuerzahlers (direkt oder indirekt) gelöst werden?

Liebe Verlage, wenn euer Content tatsächlich qualitativ so wertvoll und eine Leistung ist, die geschützt werden müsste, installiert doch einfach eine Paywall! Damit wären alle Probleme mit News-Aggregatoren gelöst und Ihr würdet eure Einnahmen wieder direkt beim Leser generieren, könntet sogar auf lästige Werbung verzichten.
Warum also so kompliziert, wenn es auch viel einfacher geht?

 

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2 Kommentare

  • Carsten sagt:

    Mir geht es da genauso. Was darf man noch, was darf man nicht?

    Ich glaube kaum das die Generation meiner Eltern ueberhaupt weiß, was ein News-Aggretagor ist, oder was Google News oder Scoop.it oder paper.li fuer Dienste sind. Gut die letzten zwei sind noch relativ neu. Aber meine Eltern lesen immer noch Buch und Tageszeitung.

    Unsere Generation geht damit lockerer um. Google, Facebook, StudiVZ. Und die Generation nach mir kann doch gar nicht mehr ohne. Und die surfen keine Seiten von Spiegel.de, faz oder so an. bild.de vielleicht, aber bei der Webseite bekommst du Augenschmerzen.

    Die Zeitungsverlage verhalten sich wie die Leute von der Musikbranche. Einfach zu verschlossen und zu engstirnig wenn ihr mich fragt. Aber das hast du ja auch schon geschrieben. Und ich glaube ich auch 🙂 (http://cbrueggenolte.de/2012/03/der-bundestag-starkt-das-urheberrecht/)

    mfg cb

    • Stefan sagt:

      Hallo Carsten,
      aktuell darf man noch so einiges (so lange man die bestehenden Urheberrechtsregelungen beachtet), die Frage ist doch eher „Wie lange darf man noch?“
      Bei den restlichen Aussagen kann ich dir nur zustimmen, ich glaube ich muss mal nen +1/Like Button für Kommentare einbauen. 😉

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